Neulich saß ich wieder einmal vor einem altbekannten Dilemma:
Kaffee in der Hand, zu wenig Zeit auf der Uhr und einem Notfallplan auf dem Bildschirm, der sich anfühlte wie ein Flickenteppich aus Excel, PowerPoint und Bauchgefühl. Während ich mich durch Tabellen und Checklisten kämpfe, habe ich mich gefragt: Warum nutzt der Kunde nicht gezielter intelligente Systeme, um Muster zu erkennen, Risiken frühzeitig zu identifizieren und unsere Reaktionen zu verbessern? Schließlich setzen viele Unternehmen KI bereits erfolgreich in anderen Bereichen ein – von der Qualitätssicherung über die Kundenkommunikation bis hin zur Produktionsplanung.
Künstliche Intelligenz (KI) könnte genau das sein, was wir im BCM brauchen: Nicht als Ersatz für Menschen, sondern als aufmerksamer Beifahrer, der schon vor dem Tunnel den Stau meldet, alternative Routen kennt und sogar weiß, ob’s bald regnet.
KI ist im Bereich der Analyse von Daten und Erkennung von Mustern schon längst keine neue Idee mehr. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Nutzung intelligenter Systeme durch Finanzinstitute zur Überwachung von Transaktionsanomalien, um Vorschriften einzuhalten und um vor Betrug zu schützen. Ein weiterer erfolgreicher Einsatz von KI ist die automatische Risikobewertung - schneller und gründlicher als zuvor.
Ein gutes BCM ist wie eine Hausratversicherung mit Frühwarnsystem, Feuerlöscher und Notausgang. Es reagiert präventiv, sodass es erst gar nicht zum Brand kommt. Dabei hilft KI:
KI analysiert historische Daten, durchleuchtet Lieferketten, überwacht IT-Systeme in Echtzeit – und entdeckt dabei auffällige Muster, die sonst keiner sieht.
Ein Problem bahnt sich an und Sie können dies bereits sehen, bevor es überhaupt zum Produktionsstillstand kommt – ganz so, als würde Ihnen das Auto sagen: „Dein Reifen verliert Luft – du hast noch 50 Kilometer.“
Oder denken Sie an automatisierte Incident Response:
Statt in einem Krisenmeeting zu diskutieren, was jetzt zu tun ist, hat die KI bereits die Lage beurteilt, Systeme abgeschottet und die ersten Maßnahmen aktiviert – bevor Sie überhaupt zum Hörer greifen.
Kurz: Die KI hilft uns, vom Reagieren ins Agieren zu kommen.
Die Realität sieht anders aus: KI im BCM ist (noch) kein Standard, sondern eher ein Hybridauto auf dem Parkplatz eines Oldtimer-Treffens – faszinierend, zukunftsfähig, aber noch längst nicht überall im Einsatz.
Viele der klassischen BCM-Tools arbeiten heute noch wie vor zehn Jahren: solide, aber eben auch ein bisschen schwerfällig. Erst nach und nach werden intelligente Funktionen eingebaut, wie bspw. automatische Lagebilder oder KI-basierte Frühwarnsysteme. Noch sind es eher die Vorreiter, die sich trauen, das Lenkrad an die KI weiterzureichen – zumindest teilweise.
Doch es tut sich was: Es gibt Plattformen, die bereits heute weltweit in Echtzeit Informationen sammeln, Risiken analysieren und konkrete Handlungsempfehlungen ausspucken, fast wie ein Wetterbericht fürs Unternehmen.
Sie nutzen Social-Media-Daten und erkennen kritische Ereignisse frühzeitig– quasi der digitale Spürhund im Informationsdschungel.
Das Problem? Gibt es nicht. Diese Tools sind da, werden aber noch wenig eingesetzt. KI im BCM bleibt eher die Ausnahme als die Regel – noch.
Gerade große Unternehmen und Konzerne profitieren enorm von KI im BCM. Warum? Weil dort die Prozesse komplex sind, die Lieferketten global verlaufen und die Datenmengen schnell unüberschaubar werden. KI ist für sie keine Spielerei, sondern ein echter Überlebensvorteil:
Sie erkennt Risiken früh, reagiert blitzschnell und macht aus dem Notfallplan ein vorausschauendes System.
Für kleinere Unternehmen – die sprichwörtlichen Mittelständler mit Herz, Verstand und wenig IT-Budget – sieht das anders aus.
Dort ist Business Continuity oft noch eine Sache von klaren Köpfen, Telefonketten und erprobten Checklisten. KI klingt da schnell nach Raketenwissenschaft – zu teuer, zu aufwändig, zu viel Veränderung.
Aber: Auch für KMU kann KI sinnvoll sein – wenn sie gezielt, modular und bedarfsgerecht eingesetzt wird. Nicht als Komplettlösung, sondern als Unterstützung. Als Zusatzmotor, nicht als Ersatz fürs ganze Auto.
KI kann das BCM auf ein neues Level heben. Aber sie ist kein Allheilmittel. Gerade kleine und mittlere Unternehmen profitieren eher davon, erst ihre Grundlagen zu stärken: klare Prozesse, verlässliche Kommunikation, trainierte Teams.
Denn Resilienz beginnt nicht mit einer Software – sondern mit der richtigen Haltung.
Ob Sie noch am Startblock stehen oder schon erste Runden drehen – wir helfen gerne beim nächsten Schritt mit oder ohne KI. Denn ein kluger Notfallplan funktioniert immer. Eine kluge Unterstützung macht ihn nur besser.
Marius Dreixler ist Product Manager BCM bei syracom. Mit einem Studienabschluss in Unternehmens- und IT-Sicherheit sowie langjähriger Praxiserfahrung im Business Continuity Management (BCM) bringt Marius Dreixler tiefgehende Expertise in der Absicherung geschäftskritischer Prozesse und der Entwicklung nachhaltiger Resilienzstrategien mit. Als Berater bei syracom begleitet er Unternehmen unterschiedlichster Branchen bei der Konzeption, Umsetzung und kontinuierlichen Optimierung von BCM- und Krisenmanagementstrukturen. Dabei verbindet er strategische Weitsicht mit der Fähigkeit, komplexe Sachverhalte präzise zu analysieren und klar zu strukturieren – und schafft so die Grundlage für effiziente Projektrealisierungen und nachhaltig erfolgreiche Lösungen.
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