Ist Adaptive Case Management (ACM) nur ein flexibilisiertes Business Process Management (BPM)? Oder ist ACM nicht vielmehr ein zu BPM völlig komplementärer Ansatz? Dieser Frage möchte ich nachfolgend mit Hilfe des Cynefin Frameworks nachgehen. Dies ist essentiell für das Verständnis des Nutzens einer ganzen Softwarekategorie (ACM-Systeme).
ACM wird häufig gesehen, als BPM bei dem sich der Prozess noch während der Ausführungszeit anpassen lässt, wo also der Zyklus von Prozessdefinition und -Ausführung nach wie vor gegeben ist, nur eben stark verkürzt wird (BITKOM 2013). Eine komplexitätsorientierte Perspektive dagegen, bietet das Cynefin Framework. Hierzu zunächst eine kurze allgemeine Erklärung von Cynefin, bevor ich dann speziell zu Cynefin im ACM/BPM Kontext eingehe.
Cynefin ist ein Framework zur Unterstützung der Entscheidungsfindung im Management, welches momentan stark an Popularität gewinnt (Snowden Boone 2007). Die Grundidee ist, dass Managementansätze die im einen Umfeld sinnvoll sind, in einem anderen Umfeld völlig versagen können. Zur Klassifizierung solcher Umfelder definiert Cynefin (in seiner einfachsten Variante) 4 Domänen:
Auf Geschäftsprozesse, als spezielle Form von Managementdomänen, bezogen, bedeutet dies:
In Geschäftsprozessen der rechten Seite, Complicated und Obvious, ist das dahinterliegende Fachwissen explizit verfügbar, in dokumentierter Form oder aus dem Munde von Experten. Auf dieser Basis können dann Prozessmodelle und Entscheidungsregeln modelliert werden. Daher lassen sich Geschäftsprozesse hier relativ einfach durch Business Prozess Management (BPM) Systeme unterstützen.
Schwieriger gestaltet sich das bei Geschäftsprozessen der linken Seite, Complex und Chaos. Diese sind oft volatil oder nicht expizit beschrieben, bzw. nur mit nicht zu rechtfertigendem Aufwand explizierbar. Hier steckt das Prozesswissen 'in der Organisation'. In diesen Fällen ist eine Unterstützung durch ein BPM-System zu starr oder eine Implementierung einfach nicht effizient.
Nichts desto trotz bedürfen auch diese Prozesse der Unterstützung. Die Arbeit im Complex oder Chaos Umfeld ist häufig geprägt von Kommunikation über Abteilungs- oder Unternehmensgrenzen hinweg, es kommt dem flexiblem Selbstmanagement eine erhöhte Bedeutung zu oder es müssen Abläufe on-the-fly definiert und wieder verändert werden können.
Hierbei helfen Adaptive Case Management (ACM) Systeme. Diese Unterstützen Kommunikation, Kollaboration, Selbst-/ Teammanagement sowie flexibel definierbare Abläufe und Verantwortlichkeiten, und bilden somit einen komplementären Ansatz zu BPM Systemen. Oder in den Worten des Cynefin Frameworks: BPM unterstützt Prozesse in Complicated- und Obvious-Domänen, wo hingegen ACM die Lösung für Complex- und Chaos-Domänen ist.
Complex-Domänen unterscheiden sich dabei von Chaos dadurch, dass sich dort Arbeitsweisen (emergent) verfestigen können. Dies erfordert, dass ACM Systeme hier die on-the-fly, in einem Bottom-up-Ansatz, Definition und Anpassung von Abläufen unterstützen müssen. Im Falle einer dauerhaften Verfestigung, kann dann auch eine Implementierung als Prozess in einem BPM System effizient sein. Dies zeigt, wie sich ACM und BPM sehr sinnvoll ergänzen können.
Somit ist aus der hier vorgestellten Sicht, auf Basis des Cynefin Frameworks, ACM nicht ein flexibilisiertes BPM, sondern ein völlig komplementärer, eigenständiger Ansatz zur Unterstützung des Arbeitens in dynamischen Umfeldern.
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